Gastbeitrag von Herbert Imbach, dipl. Architekt ETH und Kommunikationsberater, Zürich
In den wenigsten Fällen scheitern große Bauprojekte aufgrund von schlechter Architektur. Nicht die Projekte an sich, sondern die Meinungen darüber bestimmen ihre Realisierungschancen.
Ein Großprojekt entsteht (Foto: Mr. Monk / aboutpixel.de)
Vor einiger Zeit kündigte das Hochbaudepartement der Stadt Zürich an, dass auf einem Areal in Zürich-Altstetten 120 von gut 300 Schrebergärten einem Eishockeystadion weichen sollen. Die Pächter der Gärten wurden nicht vorinformiert und die Medienkonferenz kurzfristig angekündigt. Die heftige Gegenreaktion der Gärtner ließ nicht lange auf sich warten und das mediale Nachbeben war absehbar. Kein guter Start für ein Bauprojekt.
Wenige Jahre zuvor scheiterte die Stadt Zürich bereits mit den geplanten Fußball-Trainingsplätzen an der selben Stelle. Die Gefahr, dass die aufständischen Schrebergarten-Pächter erneut ein Projekt beerdigen könnten, habe man selbstverständlich diskutiert, äußert sich die die städtische Hochbauvorsteherin, Kathrin Martelli, gegenüber den Medien. Es sei eine Risikoabwägung gewesen. Es gäbe auch noch andere Bedürfnisse als Gärtnern. Da gebe ich Frau Martelli Recht. Aber welche Risiken wurden hier gegeneinander abgewogen? Welches Risiko wäre die Stadt eingegangen, wenn sie vor dem Gang an die Medien, das Gespräch mit den Schrebergärtnern gesucht hätten? Idealerweise hätte man auch bereits über alternative Gartenstandorte diskutieren können. Nun bleibt alles im luftleeren Raum. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre, gehe ich nicht davon aus, dass sich der Konflikt leicht beilegen lässt. Die Schrebergärtner bereiten sich auf einen langen Kampf vor, den sie nicht verlieren wollen.
Bauen ohne Widerstände?
Entwicklungskonzepte werden erarbeitet und der Öffentlichkeit vorgestellt. Gebiete müssen umgezont, neue Bauordnungen von der Stadt oder der Gemeinde genehmigt werden, häufig gelangen die Vorlagen auch vor das Volk. Und nicht selten hat der Kanton noch ein Wort mitzureden. Die Projekte wecken Hoffnungen, provozieren aber genauso Befürchtungen und Ängste. Diese können – richtig instrumentalisiert – jedes Projekt verzögern oder ihm schlimmstenfalls den Garaus machen. Zum direktdemokratischen Verständnis vieler Schweizer gehört auch eine gewisse Protestkultur. Sind Einsprachen und Widerstände gegen Bauprojekte demnach unumgänglich?
Die Praxis zeigt, dass andere Meinungen oft erst dadurch, dass sie nicht ernst genommen werden, zu wirklichen Blockaden werden. Das Beispiel der Zürcher Schrebergärtner illustriert dies schön. Eskalationsspiralen und sich verhärtende Fronten wären jedoch oft vermeidbar. Es geht Bürgern, in deren unmittelbarer Nachbarschaft Baumaßnahmen vorgenommen werden, nicht automatisch darum, diese zu verhindern. Vielmehr spielt die psychologisch wichtige Frage eine Rolle, ob Anlieger und politische oder private Interessenvertreter in einen städtebaulichen Veränderungsprozess einbezogen werden und sich somit auch als Beteiligte fühlen können. Oder ob sie den Eindruck haben, ungebetene Gäste würden in ihr “Revier” eindringen und über ihre Köpfe hinweg entscheiden. Ist es erst einmal so weit gekommen, helfen auch gute Argumente nicht mehr. Diese Problematik stellt Bauherren vor die wichtige Aufgabe, ihre Ziele und Pläne rechtzeitig zu kommunizieren und Interessengruppen aktiv in ein Projekt einzubeziehen.
Von der Politik zum Marketing – Kommunikationsphasen im Bauprozess
In der Konsumgüterindustrie ist klar: kein Produkt wird ohne ein professionelles Kommunikations- und Marketingkonzept lanciert. Auch Immobilien sind Produkte, die in einem Markt lanciert werden müssen. Aber über die kommunikative Begleitung von Bauprojekten oder den Umgang mit allfälligen Widerständen macht man sich häufig erst Gedanken, wenn die ersten Einsprachen auf dem Tisch liegen. Marketingkonzepte werden nicht selten erst in Auftrag gegeben, wenn die Immobilien schon fertig geplant oder bereits im Bau sind.
Im Umgang mit Medien, politischen Organisation, speziellen Interessenvertretern und der breiten Öffentlichkeit gibt es keine Patentrezepte. Je nach Situation, der Beteiligten Personen und Organisationen sowie der jeweiligen Vorgeschichte sind unterschiedliche Maßnahmen angebracht. Einige kommunikative Wirkmechanismen sind jedoch typisch – deren Beachtung zeichnet erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit aus.
Sämtliche Kommunikationsmaßnahmen basieren auf einer starken Projektidentität (Grafik: H. Imbach)
Keine Schönfärberei
Immer wieder muss ein Missverständnis ausgeräumt werden: Öffentlichkeitsarbeit ist nicht Schönfärberei. Es geht nicht darum, etwas zu verkaufen. Oder gar etwas besser darzustellen, als es wirklich ist. Es geht um den Aufbau von Vertrauen und Glaubwürdigkeit, und das ist nur mit einer vollständigen, ehrlichen Information möglich.
Fehler und Schwierigkeiten müssen offen eingestanden werden. Wer Information zurückhält oder zurechtbiegt, verkauft die Bevölkerung für dumm, und das wird in unserer Demokratie (zu Recht) nicht goutiert. Unstimmige oder vage Botschaften untergraben das Vertrauen.
Der wohl anspruchsvollste Teil der Öffentlichkeitsarbeit ist die Förderung des Dialogs zwischen Behörden und Bevölkerung. Voraussetzung dafür ist eine frühzeitige, lückenlose Information über Absichten, Pläne, Arbeitsschritte und Beschlüsse der Bauherren. Der offene Dialog selber muss bei allen sich bietenden Möglichkeiten gepflegt werden: angefangen beim Wortwechsel auf der Straße über den Sorgenbriefkasten bis hin zu den Quartiergesprächen. Am ergiebigsten sind die von Fachpersonen moderierten workshop-ähnlichen Anlässe.
Vertrauen basiert auf Charakter
Große Bau- und Immobilienprojekte durchlaufen von der Idee bis zur Realisierung und Nutzung eine ganze Reihe von Kommunikationsphasen. Zu Beginn der Projektentwicklung stehen die politische und die Projektkommunikation im Zentrum. Später wechselt der Fokus auf die Marketingkommunikation. Wichtig ist, dass während all dieser Phasen die Identität des Projektes – sein Charakter – stabil bleibt. Eine eindeutige Identität ist Grundvoraussetzung für Vertrauen von Bürgern, Behörden, Investoren und Interessenvertretern.
Verantwortung übernehmen
Public Private Partnership (PPP) heißt das Zauberwort vieler Großprojekte: Der Staat sorgt nur für reibungslose Abläufe, das große Geld werfen Private auf, und die Stadt oder die Gemeinde kommt praktisch gratis zu einem großartigen neuen Bau. Spätestens nach dem Scheitern einiger Großprojekte ist man allerdings skeptisch geworden. Was im Businessplan funktioniert, hat in der Praxis seine Tücken. Oft fehlt den PPP-Projekten die notwendige Identifikations- und Vertrauensfigur. Allzu oft ist die Verantwortung nicht klar wahrnehmbar und wird zwischen den beteiligten privaten und öffentlichen Partnern hin und her geschoben.
Nicht auf Nebenschauplätze verirren
Es kommt vor, dass Projektgegner nicht von ihrer harten Position abrücken. Oft steht hinter solchen Protesten eine fundamentale Grundmotivation. Konflikt bedeutet Unvereinbarkeit und die Quelle der Unvereinbarkeit ist die Gegenseite. Konflikt ist dann Gelegenheit, die andere Seite zu verändern – “denn die hat es nötig!” Die eigene Identität wird dazu auf die Waagschale geworfen und der Konflikt zum persönlichen Anliegen erklärt. Kompromisse werden so verunmöglicht. Die Ansätze des klassischen Konfliktmanagements führen in diesem Fall nicht zur Lösung des eigentlichen Problems. Die Diskussion um das Bauprojekt wird bloß als Vehikel missbraucht um Positionskämpfe auszutragen. Darauf müssen sich die Projektverantwortlichen nicht einlassen. Es genügt, die Situation zu verstehen und richtig einzuschätzen um sich nicht auf Nebenschauplätze zu verirren.
Sachliche Argumente alleine genügen nicht
Die Realisierung von Bauprojekten hat eine sachliche und eine emotionale Komponente. Sachlich liegen die Fakten meist klar auf dem Tisch: Die Standort- und Marktanalyse liefert Argumente für die gewählte Projektvariante, analysiert Kosten und Nutzen und beschreibt die bauliche Umsetzung. Sachliche Argumente alleine können jedoch keine Herzen gewinnen. Gleiches gilt für Kostenargumente. Diese können zwar ein Projekt verhindern, ihm aber in den wenigsten Fällen zum Durchbruch verhelfen.
“Einbinden” statt nur “mitnehmen”
Ein großer Irrtum wäre allerdings, nun anzunehmen, mit „guter“ Information ließen sich Projekte problemlos realisieren. Projektkommunikation ist immer auch zu einem guten Teil Verhandlungsarbeit. Die Beteiligten und Betroffenen müssen in den Prozess eingebunden und nicht einfach „mitgenommen“ und vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Was für den Bauherrn konsequenterweise bedeutet, mit einem Verhandlungspaket anzutreten um sich, wo inhaltlich möglich und sinnvoll, auf gemeinsame Lösungen zu Verständigen. Gemeinsame Lösungen lassen keine Gegner oder gar geschlagene Verlierer zurück.
Dieser Artikel erschien im Heft #4/2010 in der Zeitschrift “Modulør”. Im Blog des Autors finden Sie eine Version des Artikels im Originallayout zum “Durchblättern”.
Über den Autor
Herbert Imbach, dipl. Architekt ETH und Kommunikationsberater, hat sich auf die Kommunikations- und Öffentlichkeitsarbeit in der Bau-, Architektur- und Immobilienbranche spezialisiert. Davor war er als Architekt in Deutschland bei Behnisch&Partner sowie in der Schweiz tätig. 1999 stiess er im Rahmen eines großen Bauprojektes in der Stadt Zürich zum Kommunikationsteam einer Grossagentur, wo er Mandate in der Immobilien- und Bauindustrie betreute. Seit 2005 arbeitet er als selbständiger Berater.
In seinem Blog www.projectconsult.ch beobachtet und kommentiert er regelmässig aktuelle Bauprojekte aus Sicht der Kommunikation.
05.08.2010
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