Ein Gastbeitrag von Sandra Cabrales, Architektin und Coach für Architekt:innen
Wenn Sie in den letzten Monaten das Gefühl hatten, Ihr Team sei dünnhäutiger geworden, täuscht Sie Ihr Eindruck vermutlich nicht. Gespräche kippen schneller, Entscheidungen ziehen sich, die Stimmung wirkt zäh.
Vieles, was gestern noch Routine war, kostet heute spürbar mehr Kraft. Das hat Gründe. Und zwar nicht nur im Projekt selbst.
Wir leben in einer Zeit wachsender Unsicherheiten – politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich. Die Weltlage wirkt diffus, instabil – und sie macht auch vor dem Berufsalltag nicht halt.
Selbst Menschen mit einem stabilen Nervengerüst spüren: Etwas sickert durch. Und gerade in der Architekturbranche, wo Abstimmung, Kommunikation und gemeinsames Weiterdenken zum Alltag gehören, bleiben solche Spannungen nicht folgenlos.
Ich arbeite mit Architekt:innen und Führungskräften, die sich genau in solchen Situationen melden: Wenn die Komplexität überhand nimmt, Kommunikation nicht mehr zielführend ist, Diskussionen sich verhärten und sich manches wie Don Quijotes Kampf gegen Windmühlen anfühlt. Wenn der Projektalltag schwerer geworden ist – und keiner genau sagen kann, woran es liegt.
Die Welt wirkt unberechenbar – und mittendrin die Frage:
Wie sollen wir eigentlich noch gute Arbeit machen, wenn der Boden unter den Füßen ins Wanken gerät?
Für Führungskräfte in Architekturbüros ergibt sich daraus eine doppelte Herausforderung:
Sie sollen Orientierung geben – in einer Zeit, in der sie selbst oft keine haben. Sie sollen Zuversicht ausstrahlen – obwohl sie selbst hadern. Und sie sollen das Team durch schwierige Phasen führen, während die Last auf den eigenen Schultern zunimmt.
Wie also umgehen mit dieser Ambivalenz?
Die neue Realität: Führung unter Dauerbelastung
2025 fühlt sich vieles nicht mehr planbar an. Und doch sind Architekturbüros gefragt wie nie: Bauwende, Nachhaltigkeit, Wohnungsnot, Sanierungsrückstau – und all das unter sich ständig verändernden technologischen und politischen Rahmenbedingungen.
Die Anforderungen sind hoch. Gleichzeitig fehlen Fachkräfte, Budgets wanken, Auftraggebende stoppen Projekte, langjährige Partnerbüros stehen vor der Schließung, und die eigenen Bürostrukturen hinken den Herausforderungen hinterher.
Diese Komplexität wirkt sich auf Teams aus.
Was passiert hier aus systemischer Sicht?
Stellen wir uns ein Team wie ein Mobile vor – so eines, das über einer Kinderkrippe hängt: In sich stabil, fein austariert, in Balance. Wenn an einer Stelle ein zusätzliches Gewicht dazu kommt – etwa durch Nachrichtenflut, Unsicherheit oder persönliche Belastungen – kippt das gesamte Gefüge. Spannungen steigen, Dynamiken verändern sich.
Je unsicherer das Umfeld, desto stärker wird nach Stabilität im Inneren gesucht – manchmal durch Rückzug, manchmal durch das Festhalten an alten Strukturen.
Das ist erstmal menschlich. Doch genau hier braucht es Bewusstsein – und Führung.
Selbstführung in unruhigen Zeiten
Bevor Sie als Führungskraft Ihrem Team Sicherheit geben können, brauchen Sie selbst einen stabilen Stand. Denn wer andere souverän begleitet, ohne auf die eigenen Ressourcen zu achten, läuft Gefahr, früher oder später selbst an Grenzen zu stoßen.
In der Krise greift unser Gehirn auf altbewährte Muster zurück – eine über die Menschheitsgeschichte erfolgreiche Überlebensstrategie. Doch auf Dauer wird diese Strategie zur Belastung. Deshalb ist es so zentral, dass Sie sich als Führungskraft zuerst um sich selbst kümmern. Wie im Flugzeug gilt auch in der Führung: Erst legen Sie die eigene Maske an – dann helfen Sie anderen.
Nun könnte ich Ihnen an dieser Stelle fünf Dinge nennen, die helfen können – meditieren, atmen, sich bewegen, gut essen, Pausen machen. Alles wertvolle Impulse aber eben allgemeingültig. Und vielleicht passen sie nicht zu Ihnen.
Stattdessen stelle ich Ihnen ein paar Fragen – und Sie finden Ihre eigenen Antworten. Denn Sie wissen selbst am besten, was Ihnen gut tut. Bauen Sie davon mehr in den Alltag ein – gerade dann, wenn es stressig wird.
Drei Reflexionsfragen, die helfen können:
- Was verunsichert mich gerade am meisten – und wie gehe ich damit um? Wie könnte ich stattdessen damit umgehen?
- Wo tanke ich im Tagesverlauf Energie? Was brauche ich, um handlungsfähig zu bleiben?
- Was tut mir gut – und was davon kommt aktuell zu kurz?
Falls es Ihnen schwerfällt, diese Fragen für sich zu beantworten oder daraus neue Alltagsroutinen zu entwickeln, kann ein Coaching unterstützen. Oft reicht schon ein externer Blick, um Klarheit zu schaffen und nächste Schritte greifbar zu machen.
Führung ist Beziehungsarbeit
Kommunikation und Konflikte: Wenn die Nerven blank liegen.
Auch wenn sich in der Architektur vieles um Projekte und Planung dreht – gestaltet wird am Ende zwischen Menschen. Und genau dort wird es unter Druck oft schwierig.
Oft höre ich den Satz: „Wir sollten wieder zur Sachebene zurückkehren.“ Doch wenn Emotionen hochkochen, bringt Sachlichkeit wenig. Was hilft: Wahrnehmen, ansprechen, was gerade da ist. Und dann herausfinden, wie es dazu kam.
Gerade in stressigen Phasen verschiebt sich unser Kommunikationsverhalten. Toleranzgrenzen sinken, viele gehen schneller in Verteidigung oder Rückzug. Führung heißt dann nicht: drüber hinweg moderieren. Sondern: hinsehen – und ansprechbar bleiben.

ToDo-Liste für Führungskräfte im Architekturbüro (Grafik: Sandra Cabrales)
Der Blick von außen, z. B. durch eine erfahrene Moderator:in oder Coach kann helfen, Dynamiken sichtbar und bearbeitbar zu machen sowie Kommunikationsfertigkeiten zu schulen.
Sicherheit durch Klarheit
Nehmen Sie Zwischenmenschliches in Ihre Führungsaufgabe mit auf.
Inmitten von Unsicherheit ist Klarheit kein Luxus – sondern ein psychologisches Grundbedürfnis. Führung bedeutet in solchen Zeiten, eine verlässliche Struktur zu schaffen, die Halt gibt, ohne starr zu sein.
Was das konkret heißt:
- Klare Kommunikation – auch wenn nicht alles klar ist . Transparenz bedeutet nicht, jede Antwort zu kennen. Sondern ehrlich zu sagen, was Sie wissen – und was (noch) nicht. Teams vertrauen eher einer Führungskraft, die Unsicherheit benennt, als einer, die alles beschönigt.
- Prioritäten statt Perfektion. Gerade in angespannten Zeiten ist Fokus Gold wert. Fragen Sie sich – und Ihr Team: Was ist jetzt wirklich entscheidend?
- Stabile Routinen etablieren . Kurze Wochenstarts, feste 1:1-Gespräche, fünf Minuten im Teammeeting für das, was nicht auf der To-do-Liste steht. Oder: einmal pro Woche mit offenem Ohr durchs Büro gehen. Kontinuität schafft Sicherheit – auch ohne große Maßnahmen.
Fazit
Es wird nicht ruhiger – aber wir können im Umgang damit reifen.
Führung in unruhigen Zeiten heißt nicht: „Ich halte alles zusammen.“
Sondern: “Ich sorge für das Gleichgewicht – für mich und mein Team.”
Wie bei einem Mobile genügt oft eine kleine Justierung, damit das Ganze wieder in Balance kommt.
Sprechen Sie aus, was alle spüren. Bauen Sie Routinen, die Spannungen sichtbar machen, bevor sie eskalieren. Laden Sie Ihr Team ein, Mitverantwortung zu übernehmen – für den Umgang miteinander und für das Klima im Büro und im Projekt.
Es geht nicht darum, perfekt zu führen. Sondern bewusst. Menschlich. Und mit einem klaren Kompass – für sich selbst und das Team.
Denn auch wenn Sie die Weltlage nicht ändern können: Sie können entscheiden, wie Sie mit Ihrem Team hindurchgehen.
Über die Autorin

Sandra Cabrales, Architektin und Coach (Foto: Sandra Cabrales)
Sandra Cabrales ist Architektin mit Leidenschaft für gute Architektur und die Menschen dahinter. Seit 2021 begleitet sie als Coach Führungskräfte und Teams in der Architektur. In Ihre Impulsvorträge, Seminare, Workshops und 1:1-Coachings lässt sie dabei 17 Jahre Erfahrung von der Planung bis zur Leitung von Großprojekten wie auch ihr Wissen über Organisationsentwicklung und im systemischen Coaching einfließen.
Mit dem Ziel, Klarheit zu schaffen, Kommunikation zu verbessern und Strukturen zu entwickeln, die ein gesundes und erfolgreiches Arbeiten in der Architektur ermöglichen.
Kontakt
Website: sandracabrales.de
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