Ein Gastbeitrag von Anja Chwastek, agentur komm:ma
Die Architekturbranche steckt im gleichen Dilemma wie viele andere auch: Neben Krisen, die sich aufs Business auswirken, steuern viele Büros inaktiv auf weitere herausfordernde Situationen zu. Besonders betroffen sind Architekturbüros, die von der Generation der Baby-Boomer geführt werden und in den nächsten Jahren beabsichtigen, in Rente zu gehen.
Die Sicherung des Fortbestands von Planungsbüros ist ein seit Jahren bekanntes Problem in der Branche. Dies betrifft alle Disziplinen, einschließlich Architektur, Landschaftsarchitektur, Stadtplanung und Innenarchitektur.
Laut Strukturbefragung selbstständig tätiger Kammermitglieder in Deutschland (2021) war bereits ein Viertel der Befragten im Alter von 61 bis 70 Jahren. Diese 26 % der Befragten befinden sich jetzt (2024) auf der Zielgeraden zum Renteneintrittsalter oder haben es schon längst überschritten.
43% der Befragten war damals im Alter zwischen 51 und 60 und sollten bereits begonnen haben, aktiv an Lösungen für die Nachfolge Ihres Büros arbeiten.
Alarmierend wirkt die Zahl von insgesamt 69 %, denn das sind die Büros selbstständig Tätiger deutschlandweit, die fortgeführt werden können.Quelle: BEFRAGUNG DER SELBSTSTÄNDIG TÄTIGEN KAMMERMITGLIEDER für das Berichtsjahr 2021 von Reiß & Hommerich im Auftrag der Bundesarchitektenkammer.
Oftmals ist die Nachfolge in etablierten Büros, die sich über Jahrzehnte hinweg einen exzellenten Ruf erarbeitet haben, nicht gesichert.
Diese Büros stehen vor der Herausforderung, geeignete Nachfolgelösungen zu finden, um das Erbe und die Visionen der Gründer:innen zu bewahren und gleichzeitig neue Ideen und Innovationen zu entwickeln.
Trotz schwieriger Zeiten stehen viele Büros wirtschaftlich stabil da. Ihre Projekte sind vielfältig und reichen von Wohn- über Gewerbebauten bis hin zu öffentlichen Einrichtungen. Jedes Büro ist ein individueller Organismus, bei dem die Qualität der eigenen Arbeit und die Zufriedenheit der Bauherrschaft im Mittelpunkt stehen. Dies spiegelt sich meist in der Vielfalt der Projekte wider.
Ein entscheidender Faktor für den langfristigen Erfolg eines Architekturbüros ist die Fähigkeit, innovative und nachhaltige Lösungen zu entwickeln und sich regelmäßig neu zu erfinden. Der Markt fordert diese Veränderungsbereitschaft.
“Wenn es um die Sicherung, die Fortführung oder die passende Nachfolgeregelung eines Architekturbüros geht, gibt es keine Blaupause – und genau das macht es spannend und erfordert Fingerspitzengefühl! Jede Büroinhaberin und Büroinhaber steht vor ganz individuellen Herausforderungen und sollte offen für verschiedene Lösungsansätze sein. Der Schlüssel liegt darin, flexibel zu bleiben und die Lösung zu finden, die am besten zu den jeweiligen Werten und Zielen passt. Auf dem Weg darf ruhig rechts und links ein Blick durch sich öffnende Türen geworfen werden. Ein guter Plan muss nicht in Stein gemeißelt sein – er darf sich ruhig entwickeln.“
Anja Chwastek, Landschaftsarchitektin und Beraterin
Modelle der Nachfolgeregelung
Die Suche nach einer passenden Nachfolge ist ein komplexer Prozess, der sorgfältige Planung und jahrelange Vorbereitung erfordert. Inzwischen sind interessante Entwicklungen zu beobachten, die über das klassische Modell einer einzelnen Nachfolgeperson hinausgehen:
- Führungsteams: Mehrere qualifizierte Kandidat :innen aus dem bestehenden Team oder von außen übernehmen gemeinsam die Führung. Die Verantwortung wird auf mehrere Schultern verteilt, was auch Teilzeitmodelle ermöglicht.
- Fusionen: Architekturbüros fusionieren mit anderen Büros. Dies verbessert die Wettbewerbsfähigkeit und ermöglicht es, unterschiedliche Schwerpunkte abzudecken und größere Aufträge zu bearbeiten.
- Übernahmen: Büros kaufen andere Büros, die vor der Übergabe stehen. Dies kann zur Standorterweiterung genutzt werden und bietet die Möglichkeit, bestehende Projekte und Kundenstämme zu übernehmen. Ambitionierte Mitarbeitende können in Führungsrollen hineinwachsen, ohne direkt selbständig werden zu müssen.
Anforderungen an Nachfolgekandidat:innen
Kandidat:innen oder Büroinhaber:innen müssen nicht nur über fachliche Kompetenz und Erfahrung verfügen, sondern auch die Werte und die Philosophie des jeweiligen Büros weiterführen und weiterentwickeln können.
Die Fähigkeit, in einem dynamischen Umfeld zu agieren und Führungspotenzial zu zeigen, ist entscheidend. Eine erfolgreiche Nachfolge setzt voraus, dass bestehende Beziehungen zu Kunden und Projektpartnern aufrechterhalten und ausgebaut werden.
Die Integration in ein bestehendes Team oder die Verschmelzung zweier Teams erfordert soziale Fähigkeiten und Kommunikationsstärke. Ein inspirierendes Arbeitsumfeld, das von Teamgeist und gemeinsamer Zielverfolgung geprägt ist, trägt wesentlich zum Erfolg einer Nachfolge bei.
Die Sicherung und Weiterentwicklung von Architekturbüros ist eine spannende und lohnende Aufgabe. Langfristig muss eine Nachfolgekultur etabliert werden, bei der talentierte Mitarbeitende über viele Jahre hinweg gefördert und auf Nachfolgepositionen vorbereitet werden.
Maßnahmen zur Nachfolgeplanung
- Frühzeitige Planung:
- Beginnen Sie mindestens zehn Jahre vor dem geplanten Ruhestand mit der Nachfolgeplanung.
- Identifikation potenzieller Nachfolger:
- Evaluieren Sie regelmäßig das vorhandene Team und externe Kandidaten auf ihre Eignung als Nachfolger.
- Förderung und Weiterbildung:
- Investieren Sie in die Weiterbildung potenzieller Nachfolger, um deren fachliche und unternehmerische Kompetenzen zu stärken.
- Nachfolgekultur etablieren:
- Schaffen Sie eine Unternehmenskultur, die die langfristige Förderung und Positionierung von Talenten unterstützt.
- Externe Beratung in Anspruch nehmen:
- Nutzen Sie die Expertise von Spezialisten, um den Nachfolgeprozess zu planen und umzusetzen.
- Flexible Modelle in Betracht ziehen:
- Überlegen Sie Modelle wie Führungsteams, Fusionen oder Übernahmen, um die Nachfolge zu sichern.
- Kommunikation und Transparenz:
- Kommunizieren Sie offen und transparent über den Nachfolgeprozess, um Vertrauen und Akzeptanz im Team zu fördern.
- Verträge und rechtliche Absicherung:
- Sorgen Sie für klare vertragliche Regelungen und rechtliche Absicherungen, um den Übergang reibungslos zu gestalten.
Fazit
Für viele betroffene Architekt:innen, Landschaftsarchitekt:innen, Stadtplaner:innen und Innenarchitekt:innen wird es entscheidend sein, Offenheit für unterschiedliche Nachfolgemodelle zu entwickeln.
Klarheit über die Zukunft des Büros muss schon frühzeitig herrschen – idealerweise zehn Jahre im Voraus. Nach dieser Klarheit sind die notwendigen Maßnahmen umzusetzen. Unterstützung von Spezialisten steht zur Verfügung; man muss nicht jede Herausforderung allein lösen.
Über die Autorin
Anja Chwastek, Landschaftsarchitektin mit 20 Jahren Berufserfahrung arbeitet beratend mit Büros aus der Architekturbranche. Im Fokus steht die bessere äußere Wahrnehmung der Unternehmen für eine nachhaltige Mitarbeitergewinnung, Mitarbeiterbindung, Nachfolge und Akquise.
Durch Ihre Ausbildung und Erfahrung entwickelt sie mit ihren Kund:innen die passende (Kommunikations-)Strategie, vermittelt Know-How und unterstützt zum Erreichen zuvor definierter Ziele.
Kontakt
LinkedIn: linkedin.com/in/anja-chwastek
Website: komm-ma.com
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