Die Zukunft des Planens: Wie KI die Leistungsphasen neu ordnet

Ein Gastbeitrag von Matthias Zühlke, syte

Als Architekt, der sich intensiv mit den Möglichkeiten der KI im Bauwesen auseinandersetzt, sehe ich eine spannende Zukunft vor uns.

Die klassischen Leistungsphasen der HOAI, die unsere Projekte lange Zeit strukturiert haben, werden durch KI neu definiert – oder besser gesagt: sie könnten verschmelzen und flexibler werden.

Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, uns dabei zu helfen, viel früher und bewusster im Entwurfsprozess fundierte Entscheidungen zu treffen, insbesondere in Bezug auf Kosten, CO₂-Bilanz und Ressourceneffizienz.

Matthias Zühlke, Co-Gründer der KI-Plattform syte und Architekt (Foto: syte GmbH)

Matthias Zühlke, Co-Gründer der KI-Plattform syte und Architekt (Foto: syte GmbH)

Komplexität und Kosten im Entwurfsprozess

Das Planen ist in den letzten Jahren immer komplexer und teurer geworden. Einerseits sorgen baurechtliche Vorschriften dafür, dass oft viel Material verbaut wird, was die Baukosten in die Höhe treibt. Andererseits führen gestalterische Entscheidungen manchmal dazu, dass Gebäude unnötig teuer werden.

Große Fensterfronten, aufwendige Fassadengestaltungen oder komplexe Bauformen treiben nicht nur die Baukosten in die Höhe, sondern erschweren auch die energetische Effizienz. Hier könnte KI uns helfen, bewusster zu entwerfen und zu analysieren, wo solche Entscheidungen sinnvoll sind – und wo nicht.

Zurück zu den Wurzeln: Einfachheit durch KI

Ich habe einmal an der MSA einen Kurs über „climate responsive design“ gegeben, bei dem wir die Student dazu ermutigt haben, zu den Wurzeln des einfachen Entwerfens zurückzukehren. Klare Grundrisse, Querlüftung und eine bewusste Auswahl von Fenstergrößen, die funktional und energetisch sinnvoll sind, standen dabei im Fokus.

Statt immer aufwändigere Gestaltungen zu verfolgen, ging es darum, Überflüssiges wegzulassen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Dieser Gedanke passt perfekt zur heutigen Herausforderung im Bauwesen: Wenn KI uns dabei unterstützt, die Auswirkungen unserer Entwurfsentscheidungen sofort zu verstehen, können wir bewusster und oft auch einfacher planen.

Frühzeitige Entscheidungsfindung und nachhaltiges Entwerfen

Traditionell treffen wir Entwurfsentscheidungen oft auf Basis von Ästhetik oder Funktion, bevor wir die technischen und wirtschaftlichen Konsequenzen wirklich verstehen.

Aber KI kann uns schon zu Beginn des Prozesses – oft in Phase 0, der Grundlagenermittlung – mit den relevanten Informationen versorgen, die uns helfen, bewusster zu entwerfen.

Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz kann auf syte das Bebauungspotential eines Grundstücks mit wenigen Klicks ermittelt werden (Screenshot: syte GmbH)

Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz kann auf syte das Bebauungspotential eines Grundstücks mit wenigen Klicks ermittelt werden (Screenshot: syte GmbH)

So kann die KI dabei unterstützen, einfache, aber wirkungsvolle Entwurfsstrategien wieder ins Zentrum zu rücken, die nicht nur die Kosten senken, sondern auch die Nachhaltigkeit und Energieeffizienz fördern.

Nehmen wir zum Beispiel das Drehen von Deckenplatten in einem Gebäude. Früher hätten wir erst in der späteren Planungsphase erfahren, dass diese Entscheidung den Materialverbrauch drastisch erhöht und somit höhere Kosten und CO₂-Emissionen verursacht.

Dank KI können wir solche Auswirkungen heute in Echtzeit erkennen. Während wir am Entwurf arbeiten, gibt uns die KI sofort Feedback zu den Konsequenzen unserer Entscheidungen, sei es im Hinblick auf Materialkosten, Energieverbrauch oder die langfristigen Betriebskosten.

Das Potenzial von BIM und KI: Eine lebendige Planung

Building Information Modeling (BIM) spielt eine zentrale Rolle in der digitalen Planung. Doch BIM ist oft statisch, eine Art digitaler Zwilling des Gebäudes.

Durch KI wird BIM jedoch „belebt“. Änderungen im Entwurf, seien es Fassadenschnitte oder Tragwerksanpassungen, können durch KI sofort analysiert und optimiert werden. Beispielsweise kann die KI erkennen, wie eine Änderung in der Tragwerksstruktur den CO₂-Ausstoß oder die Materialkosten beeinflusst. Sie hilft uns, effizientere und umweltschonendere Entscheidungen zu treffen, noch bevor wir die Fachplaner ins Boot holen müssen.

Ineinander fließende Phasen: Von der Idee zur Genehmigung in Echtzeit

Die traditionellen Leistungsphasen waren historisch sinnvoll, um komplexe Projekte in klar definierte Schritte zu unterteilen. Doch KI verändert dieses Phasendenken. In vielen Fällen können die Grenzen zwischen den Phasen verschwimmen oder sogar völlig aufgelöst werden.

Ein konkretes Beispiel: Während wir einen Entwurf entwickeln, prüft die KI bereits automatisch die baurechtlichen Vorgaben. Zeitgleich generiert sie detaillierte Ausführungspläne und ermittelt die Kosten für Ausschreibungen.

Änderungen im Entwurf, die früher eine lange Kette von Abstimmungsprozessen nach sich zogen, können nun fast sofort in allen relevanten Planungs- und Genehmigungsunterlagen berücksichtigt werden.

Früher wurde die Entwurfsplanung (LP2 und LP3) strikt von der Genehmigungsplanung (LP4) getrennt. Heute können diese Phasen mit Hilfe der KI gleichzeitig stattfinden.

Während wir entwerfen, analysiert die KI in Echtzeit, ob die baurechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Sie passt die Pläne sofort an, falls eine Anpassung notwendig ist. Auch die Ausführungsplanung kann parallel dazu verlaufen, da die KI laufend aktualisierte Pläne erstellt, die sich dynamisch an Entwurfsänderungen anpassen.

Neue Rollen für Fachplaner und Architekten: Kompetenzen verschmelzen

Eine der spannendsten Veränderungen betrifft die Art und Weise, wie Architekten und Fachplaner zusammenarbeiten. Bislang wurden viele der komplexen Berechnungen – von der Statik über den Brandschutz bis hin zu den Betriebskosten – in Meetings zwischen Architekten und Fachplanern erörtert.

Diese Abläufe können durch KI teilweise automatisiert werden. Die Fachplaner liefern nicht mehr nur Lösungen, sondern stellen sicher, dass die automatisierten Prozesse auf dem richtigen Kurs bleiben.

Auch Architekten profitieren von diesem Wandel. Wir erhalten durch die KI Zugang zu Wissen, das bisher nur in den Händen der Fachingenieure lag, und können damit in einer frühen Phase Entscheidungen treffen, die bisher viel später im Prozess möglich waren. Das erlaubt uns ein bewussteres Entwerfen und eine Integration technischer und wirtschaftlicher Überlegungen von Anfang an.

Leistungsphasen neu gedacht: Mehr Flexibilität, weniger starre Strukturen

Angesichts dieser Möglichkeiten stellt sich die Frage, ob die herkömmlichen Leistungsphasen der HOAI noch die beste Struktur für den Planungsprozess bieten. Vielleicht ist es an der Zeit, sie flexibler zu denken. Mit KI könnten wir iterative Prozesse etablieren, bei denen Entwurf, Ausführungsplanung und Genehmigung nicht mehr strikt nacheinander, sondern parallel oder in kontinuierlichen Schleifen stattfinden.

Dies könnte zu einer Neuanordnung der Phasen führen, in der die bisherigen starren Abfolgen durch fließende Übergänge ersetzt werden. Die frühen Planungsphasen, in denen KI bereits heute einen immensen Beitrag leistet, könnten sich stärker mit den späteren Phasen überschneiden, sodass Änderungen dynamisch und in Echtzeit in alle Bereiche des Projekts einfließen.

Wie gehen wir damit um?

Um dieses neue Phasenmodell erfolgreich zu implementieren, brauchen wir flexible Arbeitsstrukturen. Das bedeutet, dass unsere Projektmanagementmethoden agiler werden müssen, damit sie auf die iterativen Prozesse und ständigen Rückkopplungen abgestimmt sind.

Darüber hinaus müssen Vertrags- und Honorarmodelle angepasst werden, um die fließenden Übergänge zwischen den Phasen zu reflektieren. Anstatt feste Honorare für abgeschlossene Phasen zu vereinbaren, könnte ein ergebnisorientierter Ansatz sinnvoller sein.

Die Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams wird noch wichtiger, und die Transparenz von Daten wird eine Schlüsselrolle spielen. Alle Beteiligten, von den Architekten über die Fachplaner bis hin zu den Bauherren, sollten jederzeit Zugriff auf die aktuellen Daten haben, um schnell und flexibel reagieren zu können.

Fazit: Eine flexiblere Zukunft des Planens

KI wird das Bauwesen nicht nur effizienter machen, sondern uns auch als Architekten befähigen, bewusster und nachhaltiger zu entwerfen. Sie ermöglicht uns, Entscheidungen früher zu treffen und sie fundierter zu gestalten, indem sie uns sofort die Auswirkungen auf Kosten, CO₂-Bilanz und langfristige Betriebskosten zeigt.

KI könnte uns sogar helfen, wieder zur Einfachheit im Entwerfen zurückzukehren, indem sie uns unterstützt, Überflüssiges wegzulassen und klarere, ressourceneffizientere Lösungen zu entwickeln. Die traditionellen Leistungsphasen der HOAI könnten durch diese Technologie fließender und flexibler werden, was zu einer Neuausrichtung unseres gesamten Arbeitsprozesses führt.

Die Zukunft des Bauens wird nicht darin liegen, dass KI uns als Architekten ersetzt. Stattdessen wird sie uns unterstützen, komplexere und nachhaltigere Projekte zu realisieren und dabei flexibler auf die Herausforderungen unserer Zeit einzugehen. Es liegt an uns, diese Technologien aktiv zu nutzen und die Zukunft der Architektur mitzugestalten.

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3 Kommentare Was ist Ihre Meinung dazu?

  1. Danke für die spannenden Gedanken. Ich hänge nur – ohne richtigen Kontext – schon ein wenig in der Luft, was tatsächliche Ansätze angeht. Die angesprochenen Themen kann die KI doch bislang nicht, wie im Artikel beschrieben „selbstständig in Echtzeit direkt neben dem Entwurfsprozess“ machen, sondern ist immer auf Benutzerinteraktion, die Nutzung von vielen verschiedenen Tools usw. angewiesen. Daher bleibt es finde ich eher eine Luftnummer, weil nicht wirklich auf reellen Tatsachen basierend, was der Artikel finde ich aber irgendwie suggeriert, sondern eher eine Vision gibt, wie das Arbeiten möglicherweise aussehen könnte.

    Zudem ist die Fehlerquote einfach noch zu hoch, da sich die KI i.d.R. ja nur des Wissens aus dem Netz oder aus den Sprachmodellen / „Lehrmaterialien“ bedienen kann, die zugrunde lagen. Gerade in unserer Branche kann das doch auch fatale Folgen haben, für die wir als Architekten, Landschaftsarchitekten und Fachplaner ja auch geradestehen müssen.

    Vielleicht bin ich auch nur nicht auf dem neuesten Stand. Können Sie konkret auf die Hilfsmittel, von denen im Artikel gesprochen wird, eingehen?

  2. Sehr geehrter Herr Winkler,

    vielen Dank für Ihren Kommentar. Ich verstehe Ihre Skepsis – die KI ersetzt den Entwurfsprozess nicht, sondern unterstützt ihn durch Echtzeit-Feedback zu Baurecht, Kosten und CO₂-Bilanz. So können früh fundierte Entscheidungen getroffen werden.

    In der Praxis nutzen wir bereits KI-gestützte Analyseplattformen wie syte (www.syte.ms), die Bebauungs- und Sanierungspotenziale aus Grundstücks- & Gebäudedaten, sowie planungsrechtlichen Vorgaben ableiten. Dadurch erhalten Architekten und Planer eine fundierte Grundlage für ihre Entscheidungen, ohne aufwendige manuelle Recherchen durchführen zu müssen.

    Die Qualität der Ergebnisse hängt von den zugrundeliegenden Daten ab. Daher arbeitet syte mit realen Projekt- und Marktdaten, um präzise und praxisnahe Analysen zu ermöglichen.

    Ich hoffe, das klärt einige Ihrer Fragen. Gerne stehe ich für einen weiteren Austausch zur Verfügung.

  3. Guten Morgen Herr Zühlke,

    herzlichen Dank für Ihre Antwort! Den Bezug zu syte kann ich schon gut nachvollziehen, die Präsentation davon durfte ich vergangenen Sommer auf dem projo Summer Summit in Berlin miterleben, Ihr Tool zeigt schon recht beeindruckend, was – in einer Nische – schon alles möglich ist. Damit verstehe ich auch den Bezug zum Artikel besser, für den heutigen Stand bleibe ich aber noch bei meiner Aussage, dass es meiner Meinung nach erst einmal nur für einen Teil der Profession gilt (wenn ich neben der Architektur auch Landschaftsarchitektur und Stadtplanung mit einbeziehe) und dafür auch nur für einen Teil der Projekte usw., da es ja auch besonders z.B. in der „Leistungsphase 0“ enorm spannende Auskünfte geben kann, aber eben nur für einen Teil der Projektarten, die es so gibt.

    Daher bin ich gespannt, was sich wie in Ihrem Artikel beschrieben auch in Zukunft in der Richtung für z.B. LA, aber auch Architekten in den späteren Leistungsphasen hier tun wird. Das Bild in meinem Kopf war hier ein anderes, nämlich eine KI, die parallel zum Zeichenprozess, z.B. implementiert in Vectorworks oder AutoCAD eine Zeichnung mit vorher festgelegten Parametern kontrollieren, optimieren etc. kann. So ähnlich, wie das CoPilot Pro inzwischen teils in Office-Produkten bereits kann und wie es losgelöst verschiedene Fach-GPTs auch bereits sehr treffend – aber immer in direkter Interaktion mit dem User – können.

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