Ein Gastbeitrag von Dr. Sandra Schuster, Director of TUM.wood
Das Buch “Zeiträume gestalten – Flexible Arbeitszeitmodelle für Architekturbüros” widmet sich der zentralen Frage, wie Architekturbüros durch die bewusste Integration arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse ihre Arbeitszeitgestaltung effektiver und attraktiver für Mitarbeitende machen können.
Ausgangspunkt der Analyse ist die weit verbreitete Realität hoher Arbeitsbelastung und chronischen Zeitmangels in der Architekturbranche.
Gefragt sind flexible Arbeitszeitmodelle, die sowohl Produktivität fördern als auch die Lebensqualität der Beschäftigten verbessern.
Die Architekturbranche steht vor einer Vielzahl komplexer Herausforderungen: vom demografischen Wandel und einer zunehmend individualisierten Gesellschaft bis hin zu den tiefgreifenden Veränderungen durch Digitalisierung und die Anforderungen der Bauwende.
Gleichzeitig wird der Ruf nach einer besseren Balance zwischen Berufs- und Privatleben unter Architekturschaffenden lauter. Genau hier setzt das Buch an:
Es zeigt, wie flexible Arbeitszeitmodelle helfen können, diese Herausforderungen zu bewältigen und einen positiven Wandel in der Branche zu fördern.
„Flexible Arbeitszeitmodelle bieten die Chance, die Arbeitskultur menschlicher, nachhaltiger und zukunftsfähiger zu gestalten – ein Gewinn für alle Beteiligten.“
Flexibilität als Antwort auf den Wandel in der Architekturbranche
Da der Begriff flexible Arbeitszeit oft unterschiedlich interpretiert wird, schafft das Buch Klarheit und definiert ihn auf Basis arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse.
Flexible Arbeitszeitmodelle werden als Systeme beschrieben, die es ermöglichen, den Umfang und die zeitliche Verteilung der Arbeitszeit kontinuierlich anzupassen – sei es durch das Unternehmen, die Beschäftigten oder beide Seiten gemeinsam.
Diese Definition bildet die Grundlage für die Entwicklung nachhaltiger und ausgewogener Lösungen.
Strukturen optimieren und realistische Arbeitszeitpläne schaffen
Ein zentraler Fokus des Buches liegt auf der kritischen Betrachtung der gegenwärtigen Arbeitszeitorganisation in der Architekturbranche.
Die aktuelle Praxis – oft geprägt von unstrukturierter Planung und ineffizienten Strukturen – wird dabei konsequent hinterfragt. Flexible Arbeitszeitmodelle erfordern nicht nur ein klares Verständnis ihrer Umsetzung, sondern auch die Bereitschaft, etablierte Strukturen zu überdenken.
Darauf aufbauend beschreibt das Buch zentrale Faktoren wie unternehmenskulturelle Rahmenbedingungen, Arbeitsprozesse und individuelle Bedürfnisse, die für eine erfolgreiche Einführung essenziell sind.
Dabei wird deutlich, dass die Implementierung solcher Modelle nicht nur Schwächen in bestehenden Systemen aufdeckt, sondern auch Chancen eröffnet, langfristige und nachhaltige Verbesserungen zu schaffen.
„Der demografische Wandel und der Ruf nach ‘Work-Life-Balance’ stellen Architekturbüros vor neue Anforderungen – flexible Arbeitsmodelle sind der Schlüssel, um Talente zu gewinnen und langfristig zu binden.“
Flexible Arbeitszeitgestaltung bedeutet mehr, als feste Strukturen aufzubrechen. Das Buch verdeutlicht, dass realistische Arbeitszeitplanung nur durch die präzise Erfassung des tatsächlichen Zeitbedarfs erreicht werden kann.
Das wird durch Studienergebnisse untermauert, die zeigen, dass Menschen den Zeitaufwand für Aufgaben systematisch unterschätzen, selbst bei wiederkehrenden Tätigkeiten. Diese Fehleinschätzungen führen zu unrealistischen Planungen und Termindruck.
Die Dokumentation der tatsächlichen Zeitnutzung bildet daher die Grundlage für eine bessere Planung und eröffnet zugleich die Möglichkeit, Arbeitsprozesse zu optimieren. Dies ist ein entscheidender Schritt, um die Arbeitsbelastung nachhaltig zu reduzieren.
Ein weiterer Aspekt, den das Buch aufgreift, sind die Auswirkungen von Unterbrechungen und häufigen Aufgabenwechseln. Diese Störungen verursachen nicht nur Zeitverluste, sondern erhöhen auch das Fehlerrisiko. In Folge wird argumentiert, dass eine Analyse bestehender Arbeitsstrukturen notwendig ist, um negative Einflüsse zu minimieren und Verbesserungen einzuführen.
Flexible Modelle wie Gleitzeit, Teilzeit oder hybride Arbeitsformen bieten hier Potenzial, wenn sie sorgfältig konzipiert und auf die Bedürfnisse der Architekturbranche abgestimmt werden.
Vielfalt und Veränderung als Chance für die Architekturbranche
Die Wechselwirkung zwischen individueller und organisatorischer Ebene bildet einen weiteren Schwerpunkt. Flexible Arbeitszeitmodelle müssen die Bedürfnisse der Mitarbeitenden ebenso berücksichtigen wie die Anforderungen der Architekturbüros.
Die Architekturbranche, geprägt von projektbasiertem Arbeiten und Präsenzkultur, steht vor der Herausforderung, solche Modelle in eine oft starre Berufskultur zu integrieren. Das Buch zeigt, dass Flexibilität nicht nur die Zufriedenheit der Mitarbeitenden steigert, sondern auch ihre langfristige Leistungsfähigkeit erhält.
Gesellschaftliche Veränderungen wie der demografische Wandel und zunehmende Diversität wirken ebenfalls auf die Arbeitsgestaltung in der Architekturbranche ein. Viele Architekturbüros kämpfen mit Nachwuchsproblemen, während gleichzeitig altersdiverse Teams gefördert und ältere Mitarbeitende länger im Berufsleben gehalten werden sollen.
Flexible Arbeitszeitmodelle bieten die Chance, eine größere Bandbreite an Talenten für die Branche zu gewinnen und langfristig zu binden. Sie können zudem zu einer gerechteren Verteilung von Care-Arbeit beitragen, indem sie Frauen und Männern gleichermaßen ermöglichen, berufliche Entwicklung und private Verantwortung zu vereinbaren.
Erfolgsfaktoren für die Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle
- Präzise Erfassung des tatsächlichen Zeitbedarfs
– Dokumentation der Zeitnutzung zur realistischen Arbeitszeitplanung und Optimierung von Arbeitsprozessen.- Analyse der bestehenden Arbeitsstrukturen
– Identifizierung von häufigen Unterbrechungen und Aufgabenwechseln, um produktive Abläufe zu fördern und das Fehlerrisiko zu senken.- Berücksichtigung individueller und organisatorischer Bedürfnisse
– Abstimmung der flexiblen Arbeitszeitmodelle auf die projektbasierte Struktur und die Präsenzkultur in der Architekturbranche.- Förderung einer vertrauensbasierten Unternehmenskultur
– Schaffung eines Arbeitsumfeldes, das Eigenverantwortung und Vertrauen stärkt, um das Potenzial flexibler Modelle auszuschöpfen.- Langfristige Planung und transparente Kommunikation
– Entwicklung einer klaren Strategie und offener Kommunikation zur erfolgreichen Implementierung und Akzeptanz flexibler Arbeitszeiten.- Anpassung an gesellschaftliche Veränderungen
– Berücksichtigung von Diversität, demografischem Wandel und individueller Lebensphasen zur Gewinnung und Bindung von Talenten.
Strategie und Kommunikation als Schlüssel zum Erfolg
Neben der Analyse liefert das Buch praxisorientierte Ansätze für die erfolgreiche Einführung flexibler Arbeitszeiten.
Dafür ist eine klare Strategie, transparente Kommunikation und sorgfältige Planung erforderlich. Gleichzeitig besteht die Notwendigkeit, eine Unternehmenskultur zu schaffen, die Eigenverantwortung und Vertrauen fördert, um das volle Potenzial flexibler Modelle auszuschöpfen.
Arbeitszeitmodelle der Zukunft – Ein Gewinn für alle Beteiligten
Zeiträume gestalten ist ein Aufruf an die Architekturbranche, überholte Strukturen zu hinterfragen und neue Wege zu gehen. Das Buch bietet wertvolle Impulse für alle, die in der Architektur tätig sind und die Branche zukunftsfähig gestalten wollen.
Es zeigt, dass flexible Arbeitszeitmodelle nicht nur die unternehmerische Effizienz steigern, sondern die Arbeitskultur menschlicher, nachhaltiger und zukunftsfähiger gestalten können – ein Gewinn für alle Beteiligten.
Über die Autorin
Dr. Sandra Schuster ist Architektin mit breiter Erfahrung. Nach ihrem Berufseinstieg in den Niederlanden kehrte sie nach Deutschland zurück, gründete ein eigenes Büro und begleitete preisgekrönte Holzbauprojekte für renommierte Büros.
Seit 2016 leitet sie die Forschungsgruppe TUM.wood und ist Forschungsdirektorin am Lehrstuhl für Architektur und Holzbau der Technischen Universität München. Für ihre Forschung zu mehrgeschossigem Holzbau, Zirkularität und den soziokulturellen Aspekten der Architektur wurde sie 2020 mit dem Franz-Berberich-Preis ausgezeichnet.
In ihrer Doktorarbeit erforschte sie flexible Arbeitszeitmodelle in Architekturbüros. Weitere Informationen zum Buch “Zeiträume gestalten – Flexible Arbeitszeitmodelle für Architekturbüros” finden Sie auf der Website des Verlags.
Kontakt
LinkedIn: linkedin.com/in/dr-sandra-schuster
Website: ar.tum.de/holz
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