Büro-Nachwuchs im Fokus: Eine Analyse des nexture+ Nachwuchsreports 2024

Der kürzlich veröffentlichte Nachwuchsreport des Netzwerks nexture+ gibt tiefe Einblicke in die aktuelle Situation des Planungsnachwuchses in Deutschland.

Die Ergebnisse zeichnen ein differenziertes Bild der Herausforderungen und Chancen für junge Planende in den Bereichen Architektur, Innenarchitektur, Stadtplanung und Landschaftsarchitektur.

Die Themenfelder des Nachwuchsreports 2024 (Grafik: nexture+)

Die Themenfelder des Nachwuchsreports 2024 (Grafik: nexture+)

Durchgeführt wurde die umfangreiche Studie des Verbands von September bis Dezember 2023.

Sie beleuchtet recht eindrucksvoll die Erfahrungen und Perspektiven von Berufseinsteigenden, Studierenden und Praktikant:innen. Grund genug für uns, die Ergebnisse genauer zu analysieren.

Zusammenfassung: Der nexture+ Nachwuchsreport

  • 815 Teilnehmende aus vier Planungsdisziplinen
  • Durchschnittsalter: 26,5 Jahre
  • Geschlechterverteilung: 63% weiblich, 36% männlich, <1% divers
  • 45% hatten finanzielle Probleme während des Studiums
  • 54% leisten regelmäßig Überstunden, 79,5% davon unbezahlt
  • 52% sind mit ihrem Einstiegsgehalt unzufrieden
  • 76% denken über einen Arbeitsplatzwechsel nach
  • 43% erwägen einen Branchenwechsel
  • 61% wollen einer Kammer beitreten, 30% sind unsicher
  • 68% wünschen sich mehr bundesweites Agieren der Kammern

Demografie: Ein junges, weiblich dominiertes Feld

Die Umfrage erreichte 815 Teilnehmende aus vier Disziplinen, wobei die Architektur mit 75% den größten Anteil ausmachte, gefolgt von Innenarchitektur (11%), Landschaftsarchitektur (9%) und Stadt- und Raumplanung (5%). Mit einem Durchschnittsalter von 26,5 Jahren repräsentiert die Studie eine junge Generation von Planenden.

Bemerkenswert ist die Geschlechterverteilung: 63% der Teilnehmenden sind weiblich, 36% männlich und weniger als 1% divers.

Diese Zahlen deuten auf einen signifikanten Wandel in einer traditionell männlich dominierten Branche hin und werfen Fragen zur zukünftigen Gestaltung der Arbeitswelt in Planungsbüros auf.

Demografische Daten zu den Teilnehmenden der Nachwuchs-Umfrage (Grafik: nexture+)

Demografische Daten zu den Teilnehmenden der Nachwuchs-Umfrage (Grafik: nexture+)

Ausbildung: Herausforderungen und internationale Erfahrungen

Die durchschnittliche Studiendauer bis zum Masterabschluss beträgt 11,9 Semester, was die Komplexität und den Umfang der Ausbildung in den Planungsdisziplinen unterstreicht. Alarmierend ist, dass 45% der Befragten während des Studiums finanzielle Probleme hatten. Dies könnte auf unzureichende Unterstützungssysteme oder die hohen Kosten des Studiums hindeuten.

Positiv zu vermerken ist, dass 20,6% der Studierenden Auslandserfahrung sammeln konnten. Diese internationale Perspektive kann für die spätere berufliche Laufbahn von großem Wert sein.

Allerdings gaben 24,7% an, nicht ausreichend Freizeit während des Studiums gehabt zu haben, was auf eine hohe Arbeitsbelastung und mögliche Stressfaktoren hindeutet.

Arbeitsbedingungen in den Planungsbüros: Licht und Schatten

Die Arbeitsbedingungen für Berufseinsteigende zeigen ein gemischtes Bild. Positiv ist, dass 87% der Berufseinsteigenden einen unbefristeten Arbeitsvertrag haben, was auf eine gewisse Jobsicherheit hindeutet. Auch der Median von 26 Urlaubstagen pro Jahr liegt über dem gesetzlichen Minimum.

Allerdings gibt es auch Schattenseiten: 33% der Befragten berichten von teilweise arbeitsrechtlich unzulässigen Formulierungen in ihren Verträgen, und 18% geben an, dass sich Arbeitgeber nicht an Vereinbarungen aus dem Bewerbungsgespräch halten.

Besonders besorgniserregend ist, dass sich 17% schon einmal am Arbeitsplatz diskriminiert fühlten. Diese Zahlen weisen auf einen dringenden Handlungsbedarf in Bezug auf faire und rechtmäßige Arbeitsbedingungen hin.

Projektbesprechung im Architekturbüro (Foto: iStock/vm)

Projektbesprechung im Architekturbüro (Foto: iStock.com/vm)

Überstunden und Vergütung: Ein strukturelles Problem?

Ein kritischer Punkt sind die Überstunden: 54% der Berufseinsteigenden leisten regelmäßig Überstunden, im Durchschnitt 4,3 Stunden pro Woche. Alarmierend ist, dass 79,5% diese Überstunden nicht bezahlt bekommen.

Dies deutet auf ein strukturelles Problem in der Branche hin, das nicht nur die Work-Life-Balance der jungen Planenden beeinträchtigt, sondern auch rechtliche und ethische Fragen aufwirft.

Die fehlende Vergütung von Überstunden könnte ein Grund für die verbreitete Unzufriedenheit mit dem Gehalt sein. Zudem haben 53% ihr Gehalt nicht verhandelt, was auf einen Mangel an Verhandlungserfahrung oder -möglichkeiten hindeutet.

Die Tatsache, dass 43% nicht wissen, was ihre Kolleg:innen verdienen, unterstreicht den Bedarf an mehr Transparenz in Gehaltsfragen.

Das Gehalt von Absolvent:innen – Unzufriedenheit und Intransparenz

Die Einstiegsgehälter variieren je nach Abschluss: Für einen 6-semestrigen Bachelorabschluss liegt das Median-Bruttojahresgehalt bei 36.000 €, für einen 8-semestrigen Bachelor bei 38.400 € und für Master/Diplom bei 39.000 € (jeweils bei einer 40-Stunden-Woche).

Diese Zahlen liegen deutlich unter dem Durchschnittseinkommen in Deutschland, was die Unzufriedenheit von 52% der Befragten mit ihrem Einstiegsgehalt erklärt.

Die mangelnde Gehaltstransparenz – 43% wissen nicht, was ihre Kolleg:innen verdienen – erschwert faire Gehaltsverhandlungen und könnte zu Ungleichheiten führen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit offenerer Kommunikation über Gehälter in der Branche.

Zufriedenheit und Ziele: Zwischen Hoffnung und Zweifel

Trotz der genannten Herausforderungen geben 56% der Befragten an, insgesamt mit ihrer Arbeit glücklich zu sein. Dies zeigt, dass viele junge Planende trotz Schwierigkeiten Erfüllung in ihrem Beruf finden.

Allerdings spielen 76% mit dem Gedanken, ihren Arbeitsplatz in naher Zukunft zu wechseln, was auf eine hohe Fluktuation und möglicherweise unerfüllte Erwartungen hindeutet.

Besorgniserregend ist, dass 43% sogar über einen Branchenwechsel nachdenken. Dies könnte auf eine Diskrepanz zwischen den Erwartungen an den Beruf und der Realität hindeuten. Andererseits zeigt sich auch unternehmerischer Geist: 51% können sich mittel- oder langfristig eine Selbstständigkeit vorstellen.

Berufsständische Vertretung: Wunsch nach Veränderung

Das Verhältnis zur berufsständischen Vertretung ist ambivalent. Zwar wollen 61% auf jeden Fall in eine Kammer eintreten, doch 30% sind noch unsicher. Dies deutet auf ein Informationsdefizit oder Zweifel am Nutzen der Kammermitgliedschaft hin.

Der Wunsch nach Veränderung wird deutlich: 68% möchten, dass die Kammern häufiger bundesweit agieren. Dies könnte als Aufruf zu einer stärkeren, einheitlicheren Interessenvertretung verstanden werden. Die junge Generation scheint bereit, sich aktiv in die Gestaltung ihrer beruflichen Zukunft einzubringen.

Fazit: Ein Weckruf für die Architekturbranche

Der nexture+ Nachwuchsreport zeichnet ein vielschichtiges Bild der Situation junger Planender in Deutschland. Während viele Aspekte des Berufs nach wie vor attraktiv sind, offenbaren die Ergebnisse auch erhebliche Herausforderungen, insbesondere in Bezug auf Arbeitsbedingungen, Vergütung und Karriereperspektiven.

Die teilweise prekären Arbeitsbedingungen und die weit verbreitete Unzufriedenheit mit dem Gehalt sind alarmierend. In Zeiten des Fachkräftemangels sollten diese Erkenntnisse als Weckruf für die gesamte Branche verstanden werden. Es bedarf dringender Reformen, um die Attraktivität der Planungsberufe zu erhalten und zu steigern.

Der Report macht deutlich, dass ein offener Dialog zwischen allen Beteiligten – Berufseinsteigenden, erfahrenen Fachkräften, Arbeitgebenden, Kammern und Bildungseinrichtungen – notwendig ist. Nur so können die Herausforderungen gemeinsam angegangen und Lösungen entwickelt werden, die den Planungsberuf zukunftsfähig machen.

Die Ergebnisse des Nachwuchsreports sollten als Ausgangspunkt für tiefgreifende Diskussionen und konkrete Verbesserungsmaßnahmen dienen. Es liegt in der Verantwortung aller Akteure der Branche, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, faire Vergütungsstrukturen zu etablieren und attraktive Karriereperspektiven zu schaffen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Planungsdisziplinen auch in Zukunft talentierte und engagierte Nachwuchskräfte anziehen und halten können.

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