Ein Gastbeitrag von Marc-Christian Hodapp, Urbanistic
Die frühen Phasen städtebaulicher Planungsprozesse sind entscheidend für den späteren Projekterfolg. In diesem Stadium werden grundlegende Weichen gestellt, die die gesamte weitere Planung beeinflussen.
Doch gerade hier treten sogenannte „Wicked Problems“ – komplexe, vielschichtige Problemstellungen – auf, die sich nicht mit linearen, eindimensionalen Lösungsansätzen bewältigen lassen.

Marc-Christian Hodapp, Gründer von Urbanistic (Foto: Urbanistic)
Durch meine langjährige Arbeit als Architekt und Projektentwickler bin ich der festen Überzeugung, dass moderne 3D-Stadtmodelle einen entscheidenden Beitrag zur Bewältigung dieser komplexen Planungsaufgaben leisten. Sie bieten einen frühestmöglichen Zugriff auf eine Vielzahl an Informationen, die für das Projekt aus planerischen und wirtschaftlichen Aspekten relevant sind.
Der Zugriff auf diese Informationen in den frühen Leistungsphasen ist ausschlaggebend für den gesamten Projekterfolg. Zudem stellen sie neue Wege für die Kommunikation zwischen Fachleuten und Laien bereit, ermöglichen flexible Anpassungen im Planungsprozess, schaffen innovative Beteiligungsszenarien und unterstützen die vergleichende Bewertung verschiedener Planungsvarianten.
Der folgende Beitrag beleuchtet, wie 3D-Stadtmodelle in Form von CIM-Software (City Information Modeling) als Werkzeug eingesetzt werden können, um den komplexen Herausforderungen in der Stadtplanung und Projektentwicklung zu begegnen.
3D-Stadtmodelle: Grundlagen und Potenziale
Moderne 3D-Stadtmodelle haben sich weit von ihren Ursprüngen als physische Architekturmodelle entfernt. Sie sind heute digitale, datenreiche und interaktive Repräsentationen urbaner Räume, die weit mehr können als nur die dreidimensionale Visualisierung baulicher Strukturen.
Die aktuelle Generation von 3D-Stadtmodellen integriert verschiedenste Datenquellen – von Gebäudeinformationen (BIM) über Geodaten (GIS) bis hin zu Umwelt- und Verkehrsdaten. Sie ermöglichen Echtzeit-Analysen, binden wichtigen Kennzahlen ein und passen diese automatisch an, erzeugen verständliche Visualisierungen und bilden dadurch eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die frühen Projektphasen.
Anders als traditionelle CAD-Pläne oder statische Modelle bieten sie die Möglichkeit, die Stadt als vernetztes System zu betrachten und zu bearbeiten. Diese Modelle sind keine statischen Abbilder, sondern dynamische Planungs- und Kommunikationswerkzeuge, die kontinuierlich angepasst und erweitert werden können.

Projekt „Gewerbepark Eremitage Waghäusel“ im Urban Space Center von Urbanistic (Screenshot: Urbanistic)
Dadurch, dass immer mehr Projektbeteiligte an einem Tisch sitzen wird gerade der Kommunikationsaspekt immer wichtiger. Die Fragmentierung von Entscheidungsprozessen führt zu widersprüchlichen Zielsetzungen verschiedener Fachbereiche, wodurch bei der Stadt- und Projektentwicklung konkurrierende Stakeholder-Interessen aktuell nur durch zeitintensive Abstimmungsprozesse gelöst werden können.
Unklare Zuständigkeiten verschärfen diese Problematik und verursachen langwierige Iterationsschleifen zwischen den beteiligten Akteuren. Die genannten Eigenschaften von 3D-Stadtmodellen machen sie zu wertvollen Instrumenten im Umgang mit den Herausforderungen in frühen Planungsphasen.
Lösung für Kommunikationsprobleme
Die Kommunikation zwischen verschiedenen Akteur:innen stellt eine dieser Herausforderung dar. Fachplaner:innen, Verwaltung, Politik, Investor:innen und die Bürgerschaft sprechen oft unterschiedliche „Sprachen“ und haben verschiedene Wissensstände.
3D-Stadtmodelle können hier als „gemeinsame Sprache“ dienen. Sie übersetzen abstrakte Planungen in verständliche, anschauliche Bilder und ermöglichen so eine Kommunikation auf Augenhöhe. Komplexe räumliche Zusammenhänge, die in technischen Plänen nur für Fachleute erkennbar sind, werden für alle Beteiligten sichtbar und nachvollziehbar.
Andreas Emmerich, Bürgermeister der Stadt Waghäusel ist der Meinung, dass gerade für die Gremienarbeit im Rahmen von Stadtplanungsprozessen eine Visualisierung von möglichen Baugebieten die Erläuterung im Gemeinderat, im Ausschuss oder in der Öffentlichkeit wesentlich erleichtert.
Ein digitales Planungsinstrument in Form eines 3D-Stadtmodells, das während den Sitzungen oder innerhalb einer Bürgerbeteiligung sofort auf die Fragen und Anregungen eingehen kann, führt zu einer effizienteren Arbeitsweise innerhalb des Projektes. Die Stadt Waghäusel nutzt für diese Zwecke beispielsweise das „Urban Space Center“ von Urbanistic.
Im Projekt „Campus Kirchheim“ half zudem ein interaktives 3D-Modell dabei, die Auswirkungen verschiedener Gebäudehöhen auf Sichtachsen und Verschattung für alle Beteiligten verständlich zu machen und führte zu einer konstruktiven und weniger emotionalisierten Diskussion zwischen Architekten, Investoren und Anwohner:innen.
Auch die Erarbeitung des komplexen Nutzungsmixes und die Auswertung der dazugehörigen Kennzahlen konnte durch das interaktive Stadtmodell effizient umgesetzt werden.
Die mit Planungsdaten angereicherte Visualisierung ermöglicht die Überwindung von Fachgrenzen: Planer:innen können die städtebaulichen Implikationen ihrer Entscheidungen effizient umsetzten und abändern, während Projektentwickler unmittelbar die Auswirkungen der Entwürfe auf die wirtschaftlichen Kennzahlen erkennen.
Umgang mit Planungsänderungen
Die Eigendynamik von Planungsprozessen erfordert flexible Anpassungsmöglichkeiten. Herkömmliche Planungen mit statischen Plänen und Modellen stoßen hier schnell an ihre Grenzen – jede Änderung bedeutet aufwändige Neubearbeitung.
Für Stadtplaner wie Axel Brechenser vom Stadtplanungsbüro Stadt-Land-plus sind digitale 3D-Stadtmodelle zu einem wesentlichen Bestandteil der frühen Planungsphasen geworden: „Mithilfe dieser Werkzeuge können wir in Projektbesprechungen direkt Planänderungen einarbeiten und mit der Gemeinde über Webviewer kommunizieren. Diese schnelle Anpassungsfähigkeit ermöglicht es uns, konstruktiv auf die veränderten Rahmenbedingungen zu reagieren, ohne den gesamten Planungsprozess neu starten zu müssen. Das spart uns sehr viel Zeit, die bei langwierigen iterativen Abstimmungsprozessen entstehen würde“.
Die Nachverfolgbarkeit verschiedener Planungsstände ermöglicht es zudem, die Entwicklung des Projekts transparent zu dokumentieren und bei Bedarf zu früheren Versionen zurückzukehren.
Stephan Becker und Timo Eisele, Architekten bei ASTOC ARCHITECTS AND PLANNERS starten Ihre Projekte ebenfalls mit CIM-Software wie Urbanistic und schlagen dabei in ihrem Planungsprozess eine Brücke zwischen BIM und CAD. „In den frühen Projektphasen empfinden wir das CAD-Programm als zu statisch. Mit genannten Planungsprogrammen wie dem Urban Space Center wiederum können wir sehr interaktiv arbeiten. Die dynamische Arbeit innerhalb des 3D-Stadtmodells, in dem wir auch mit der städtebaulichen Umgebung und weiteren Datenquellen gut interagieren können. Für die Bearbeitung in späteren Leistungsphasen können die Entwürfe durch eine Schnittstelle zu CAD-Programmen problemlos importiert werden.“
Beteiligungsszenarien mit 3D-Modellen
Die Einbindung verschiedener Stakeholder, insbesondere der Öffentlichkeit, ist ein entscheidender Faktor für den Erfolg städtebaulicher Projekte. Herkömmliche Beteiligungsformate wie Bürgerschaftsversammlungen mit Plänen und Präsentationen erreichen oft nur einen kleinen, meist bereits engagierten Teil der Bevölkerung.
3D-Stadtmodelle eröffnen hier neue Möglichkeiten: Sie senken die Zugangshürden zum Planungsprozess, indem sie komplexe Sachverhalte anschaulich darstellen. Durch webbasierte Plattformen (wie z. B. für das Projekt ZELT Reutlingen) kann die Bürgerschaft orts- und zeitunabhängig auf die Modelle zugreifen, sie erkunden und kommentieren.
Innovative Beteiligungsformate wie digitale Workshops, in denen Teilnehmer selbst Veränderungen am Modell vornehmen können, schaffen neue Formen der Interaktion mit Planungsinhalten.
Kommunikation und Bewertung von Varianten
In der Planung von kleineren Quartiersprojekten oder großmaßstäblichen Stadtentwicklungen gibt es keine eindeutig „richtige“ oder „falsche“ Lösung, sondern nur mehr oder weniger geeignete Ansätze. Die Entwicklung und Bewertung verschiedener Planungsvarianten ist daher ein wesentlicher Bestandteil des Planungsprozesses.
3D-Stadtmodelle bieten hier entscheidende Vorteile: Sie ermöglichen die parallele Darstellung unterschiedlicher Varianten in einem einheitlichen Format und erleichtern dadurch einen objektiven Vergleich. Verschiedene Bebauungsszenarien, Verkehrsführungen oder Freiraumgestaltungen können nebeneinander visualisiert und in ihren Auswirkungen simuliert werden.

Webviewer Projekt „ZELT Reutlingen“: Erst im 3D-Modell geplant, dann hier als Beteiligungsinstrument der Bevölkerung zugänglich gemacht (Screenshot: Urbanistic)
Neben visuellen Aspekten lassen sich auch quantitative Faktoren wie Flächenkennzahlen (GRZ, GFZ etc.), Verschattung, Lärmausbreitungen oder Verkehrsaufkommen (Einbindung von IoT-Sensoren) für die verschiedenen Varianten berechnen und vergleichen. Erschwerend ist, dass viele der Faktoren und Anforderungen im Widerspruch stehen.
Klassische Zielkonflikte dieser Art sind Flächenkonkurrenzen z. B. zwischen Erholungsgrün, Stellplätzen, Spielflächen und Wohnraum. Hier kann mit dem einfachen Zugang zu Daten durch digitale Stadtmodelle eine fundierte Entscheidungsgrundlage geschaffen werden, die sowohl wirtschaftliche als auch ästhetische und soziale Aspekte berücksichtigt vermag.
Herausforderungen und Grenzen
Trotz aller Potenziale ist die Integration von 3D-Stadtmodellen in Stadtplanungsprozesse kein Allheilmittel: Die Entwicklung von Planungssoftware die GIS-Daten mit der BIM-Methode verknüpft, um ein effizientes Werkzeug für die frühen Planungsphasen bereitzustellen und die Erstellung und Pflege von Stadtmodellen erfordert oft erhebliche technische Ressourcen, Fachwissen. Auch die Datenintegration stellt eine weitere Herausforderung dar: Verschiedene Fachdaten liegen oft in unterschiedlichen Formaten vor und müssen harmonisiert werden.
Wir bei Urbanistic sind den Schritt gegangen und haben solche Anwendungen mit dem Fokus auf Zugänglichkeit, Performanz und Kompatibilität zu beiden Welten (GIS und BIM/CAD) ausgelegt. Die Akzeptanz unserer Kunden lebt von der Geschwindigkeit in den städtebaulichen Überlegungen überprüft werden können. Sogar Stadtplanungsämter nutzen Urbanistic. da es auch ohne tiefgreifende CAD-, GIS- bzw. BIM-Vorkenntnisse nutzbar ist.
Als Grundlage dienen amtliche Daten. Diese werden mit weiteren Daten angereichert. Mithilfe einer sehr offenen Softwarearchitektur werden permanent weitere Bausteine hinzugefügt wie aktuell KI-Komponenten für die Simulation von Klimarisiken. Es kann direkt modellbasiert geplant werden, die Auswirkungen sind auf einen Blick ersichtlich und kommunizierbar. Für spätere Leistungsphasen ist eine Integration in CAD-Programme leicht möglich.
Zukunftsausblick
Die technologische Entwicklung im Bereich der 3D-Stadtmodellierung schreitet rasant voran. „Urbane Digitale Zwillinge“ – digitale städtische Umgebungen, die in Echtzeit mit Sensordaten aktualisiert werden – oder die Integration von KI-Komponenten zur Simulation urbaner Prozesse, bieten vielversprechende Perspektiven für die weitere Entwicklung.
Die Vernetzung mit IoT-Sensorik und Simulationswerkzeugen lassen dabei immer leistungsfähigeren Plattformen entstehen, die nicht nur die physischen Strukturen, sondern auch die dynamischen Prozesse in Städten abbilden können.
Weitere Informationen: urbanistic.de
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Super spannender Beitrag! Die Integration von 3D-Stadtmodellen in den Planungsprozess ist echt zukunftsweisend. Besonders gefällt mir, wie BIM und GIS zusammenarbeiten, um die Kommunikation zwischen den Beteiligten zu verbessern. Das eröffnet definitiv neue Möglichkeiten, Projekte effizienter und transparenter zu gestalten. Sehr inspirierend!
Vielen Dank für Ihr positives Feedback! Ich stimme vollkommen zu, dass die Kombination von BIM und GIS ein entscheidender Schritt in der Weiterentwicklung von 3D-Stadtmodellen ist. Diese Synergie verbessert nicht nur die Kommunikation, sondern bietet auch eine umfassende Datenbasis, die für fundierte Entscheidungen in den frühen Planungsphasen unerlässlich ist. Es ist wirklich spannend zu sehen, wie diese Technologien die Planung und Gestaltung urbaner Räume revolutionieren können.